Kurzfilm-Programm und Artist Talk: Serious Games
HMKV im Dortmunder U | Ebene 3, Veranstaltungsraum
Bild: Valeria Hofmann, AliEN0089, 2023, Videostill
Der HMKV Hartware MedienKunstVerein präsentiert mit der Veranstaltung Serious Games ein Kurzfilm-Programm und lädt zum gemeinsamen Filmschauen und Austauschen ein. Filminteressierte können sich auf zwei Kurzfilme freuen mit anschließenden Artist Talk mit dem Künstler*innenduo Stefan Panhans und Andrea Winkler sowie Simón Jarpa Ruiz (Produktion AliEN0089).
Das Kurzfilmprogramm Serious Games findet im Rahmen der Veranstaltungsreihe Kleiner Freitag im HMKV auf der Ebene 3 statt,
Serious Games – Gaming dient in beiden Kurzfilmen als zentrale Plattform, um tiefgreifende gesellschaftliche und persönliche Themen zu verhandeln. Die beiden Filme, die im Kontext Ausstellung Silke Schönfeld: You Can't Make This Up und des Next Level Festival 2024 präsentiert werden, erkunden die Schnittstellen zwischen Technologie, Menschsein und den sozialen Auswirkungen virtueller Welten. Sie thematisieren die Spannungen zwischen der realen und der digitalen Welt sowie die Frage, wie virtuelle Erfahrungen unser physisches Leben beeinflussen und formen können. Es geht nicht nur um das Spielerlebnis selbst, sondern um die Art und Weise, wie Videospiele zunehmend als Spiegelbild und Verstärker realer sozialer Dynamiken fungieren.
Valeria Hofmann – AliEN0089 (2023), 21:49 Min.
Während der Proteste in Chile schleicht sich ein Fremder in ein mysteriöses Spiralhaus am Rande der Stadt. Was wie das Studio eines Entomologen aussieht, ist auch das Zuhause von SABINA, 32, einer Spielerin, die gerade ein Video über die Belästigungen aufgenommen hat, denen sie in einem Kriegsvideospiel ausgesetzt ist. Sie erklärt öffentlich, dass die Aggressionen über den Bildschirm hinausgehen und sie weiß, dass sie in ihrem realen Leben verfolgt wird. Als wäre es ein Ego-Videospiel, gelingt es dem Fremden, Sabinas Blicken auszuweichen und sich in ihren Computer zu hacken, wodurch die Grenzen zwischen realer und virtueller Welt mit chaotischen Folgen verschwimmen.
Valeria Hofmann (1988) ist eine chilenische Regisseurin, die zwischen Santiago und Valparaíso lebt und sich mit Medien und Technologie beschäftigt. Ihre Arbeit dreht sich vor allem um Dokumentarfilme und innovative Erzählformen, mit einem besonderen Interesse an den Genres Horror und Science Fiction. Hofmann war Mitglied des Künstlerkollektivs MAFI - Filmic Map of a Country -, dessen Projekte an verschiedenen Orten gezeigt wurden, darunter das IDFA DocLab, das Centre Pompidou, das MAC Santiago und das öffentlich-rechtliche Fernsehen, und mit dem sie zwei Dokumentarfilme drehte: „Propaganda“ (2014), der auf dem Festival Visions Du Reel uraufgeführt und mit dem Preis der Jury für den innovativsten Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde, und ‚God‘ (2019), der ebenfalls auf Visions Du Reel uraufgeführt wurde. 2019 studierte Hofmann experimentelles Kino an der Lav School in Madrid und führte Regie bei verschiedenen Kurzfilmen wie „The Ram's Nap“ (2020), einem Dokumentarfilm, der über die Kreuzung von Essen, Zauber und Technologie reflektiert. Im Jahr 2023 veröffentlichte sie den Kurzfilm „AliEN0089“, in dem sich Animations- und Live-Action-Techniken vermischen, um die Geschichte eines Spielers zu erzählen, der in einer virtuellen Spielwelt belästigt wird. „AliEN0089“ wurde 2023 in Sundance uraufgeführt und erhielt den Preis für die beste Regie für einen internationalen Kurzfilm. Derzeit entwickelt Hofmann „LUV“, eine Website, die sich der Medienarchäologie widmet und vom Nationalen Produktionsfonds für neue Medien in Chile gefördert wird.
Stefan Panhans & Andrea Winkler – Freeroam À Rebours, Mod#I.1 (2016), 16:14 Min.
Den Ausgangspunkt von Freeroam À Rebours, Mod#I.1 bilden verschiedene Unzulänglichkeiten im Verhalten von Videospiel-Avataren, die von menschlichen SpielerInnen gesteuert werden. Diese “Fehlerszenarien” werden auf die Körper von realen PerformerInnen übertragen und im Medium Film nachgespielt. Jene „gescheiterten Verhaltensweisen“ von Spiel-Avataren – darunter Übersprungshandlungen, Leerlaufverhalten, wiederholtes Nichtausführen einer Handlung oder die unvollkommene Annäherung an menschliche Bewegungen und Gesten – werden allgemein als Ergebnis von Unzulänglichkeiten und Unvermögen betrachtet. Dies vor allem in einer Gesellschaft, die von Funktionalitätsdruck, ökonomischen Imperativen und Selbstoptimierung geprägt ist. An der Schnittstelle zwischen Experimentalfilm, Videoclip und zeitgenössischer Tanzperformance nimmt der Film von Stefan Panhans diese „Fehler“ präzise, mit untergründigem Humor, in den Blick.
Stefan Panhans und Andrea Winkler arbeiten gemeinsam an transdisziplinären, postkinematischen Projekten, die filmische Elemente und skulpturale, ortsspezifische Installationen beinhalten. Sie untersuchen die hypermediale Prägung unserer Gegenwart, die (Macht-)Strukturen hinter den Prozessen der Digitalisierung und deren Auswirkungen auf unser Denken und unsere Körper, sowie den alltäglichen Rassismus und die zunehmende Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen. In 2019 erhielten sie den Innogy VISIT Award, Essen, und eine lobende Erwähnung für »HOSTEL« vom Videonale.17 Award. Im Jahr 2020 hatten sie eine Research Fellow Residency an der Akademie für Theater und Digitalität in Dortmund. Außerdem wurden sie 2022 für den Paula Modersohn-Becker-Preis sowie für den MuVi-Preis der 69. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen nominiert. 2023 erhielten sie den Preis für Bildende Kunst des Aargauer Kuratoriums. Im Jahr 2024 erhielten sie den Rompreis der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo für 2025/26.
Mit Stefan Panhans und Andrea Winkler kommen zwei bekannte Gesichter zu Besuch: Im Jahr 2021 präsentierte der HMKV die Ausstellung The Pow(d)er of I Am Klick Klick Klick Klick and a very very bad musical!. Der Titel der Ausstellung des Künstler*induos nimmt Bezug auf die Rhetorik US-amerikanischer evangelikal-protestantischer Megachurches, in denen – als christliche Lebenshilfe getarnt – eine marktkonforme, neoliberale Ideologie individueller Selbstoptimierung gepredigt wird. Es geht in den Arbeiten der Künstler*innen um SUVs, Kommunikation mit Künstlichen Intelligenzen, Alltagsrassismus, Celebrity-Kult und Rollenklischees, Computergames, das ‚Uncanny Valley‘ und weitere postdigitale Feedbackschlaufen zwischen Menschen und virtuellen Welten, und nicht zuletzt um den prekären Status von Kulturarbeiter*innen.