Klara Lidén: Grounding

HMKV Video des Monats

Bild: Klara Lidén, Grounding, 2018, Videostill.

Klara Lidéns Videoarbeit Grounding (2018) ist mit Sicherheit eines meiner liebsten Performance-Videos aller Zeiten. In weniger als sechs Minuten nimmt uns Lidén mit auf eine Tour de Failure durch den New Yorker Finanzdistrikt, wo sie einen Spaziergang um den Block unter Missachtung der Regeln performt. Grounding verweist sowohl auf das Détournementdes urbanen Raums als auch auf den Vorwärtsdrang des hyperkapita-listischen Downtowns.

Da ich selbst oft im urbanen Raum mit teilnahmslosen, fast statischen Darstellern gearbeitet habe (die ich als " Stellvertreter " bezeichnet habe), wurde ich sofort von der bewussten Abwesenheit von Schauspielerei angezogen. Lidén vermeidet jeden Anflug von naheliegendem Slapstick, protagonistischem Heldentum oder Schmerz sowie offensichtlichen Identitätsmarkern von sozialer Klasse oder Geschlecht.

Gekleidet in eine zeitlose schwarze Künstleruniform, durchbricht Lidéns "Stellver-treter*in" die Realität des stolz wiederaufgebauten, aber völlig leblosen Viertels und injiziert sie mit einer Geste künstlerischer Freiheit. Ihre Stolperer und Stürze evozieren eine spekulative Erzählung, eine Einladung, sich nicht an normative Regeln zu halten - ähnlich wie die unsichtbaren Bälle, mit denen die Tennis spielenden Mimen am Ende von Antonionis Blow-Up hantieren. Realität ist trügerisch.“ – Niklas Goldbach

Vorgeschlagen von Niklas Goldbach, im Rahmen seiner Einzelausstellung The Paradise Machine im HMKV Hartware MedienKunstVerein im Dortmunder U, Ebene 3 (bis 1. September 2024)

Inspiriert von dem Musikvideo Unfinished Sympathy von Massive Attack (1991), begleitet die Kamera die Künstlerin in Grounding (2018) auf ihrem Gang durch die Straßen des Finanzdistrikts von New York City. Im Kontrast zu dem Original-Musikvideo, in dem die Sängerin Shara Nelson durch die Straßen von Los Angeles schreitet, stolpert und stürzt Lidén immer wieder, während sie an zahlreichen ikonischen Wahrzeichen des Kapitalismus in Lower Manhattan vorübergeht. Ein Mann in Security-Uniform wendet sich ihr zu, um zu helfen, macht aber einen Rückzieher, als er die Kamera erblickt. Er hat die Performance als solche entschlüsselt. In diesem Moment trifft die Realität, wie sie den urbanen Passant*innen erscheint, auf die Fiktion, die durch eine Videoaufnahme erzeugt wird. Das Video wird musikalisch von einem Instrumental untermalt, während Lidén darin fortfährt, das zu demonstrieren, was Helen Molesworth eine „verkörperte Stille“ nennt.

In Grounding inszeniert Lidén wiederholt ein Grundprinzip von Slapstick-Komödien: das Stolpern, das Ausrutschen, das gespielte Hinfallen, allerdings ohne den üblichen komödiantischen Effekt zu erzielen. Der Reiz des Videos liegt zwischen einem voyeuristischen Unbehagen und einem Vergnügen an der Komik. Die zügellosen Bewegungen der Künstlerin wirken umso irritierender, als dass sie mit unausgesprochenen sozialen Codes statt mit einem klar umrissenen Regelwerk brechen. Grounding verstärkt die Anspannung, die durch die Frage entsteht, wie man sich innerhalb des in Privatbesitz befindlichen öffentlichen Raums des New Yorker Finanzdistrikts bewegen soll.

Rachel Vera Steinberg

(Quelle: https://jsfoundation.art/artworks/grounding/)

 

Klara Lidén

Klara Lidéns (*1979 in Stockholm) multidisziplinäre Kunstpraxis entzieht sich einer einfachen Kategorisierung und umfasst eine Reihe von Medien wie Video, Performance, Skulptur, strukturelle Intervention und Installation. In ihren Arbeiten verwendet sie häufig Materialien aus dem städtischen Raum, die sie mit erfinderischer Verve neu zusammensetzt – ein Prozess, den sie als „Unbuilding“ bezeichnet. Ihr Interesse gilt der Architektur und ihrer Umgebung, den sozialen Konstruktionen, die die materielle Funktion umgeben, und dem Körper in seiner Beziehung zu diesen Elementen. Ihre Kunst ist geprägt von einer anhaltenden Erforschung der physischen und psychologischen Grenzen der Räume – sowohl der öffentlichen als auch der privaten – die wir bewohnen.

Klara Lidén

Grounding

2018, HD-Video, 5:53 Min., Farbe, Ton.

In der Serie „HMKV Video des Monats“ stellt der HMKV im monatlichen Wechsel aktuelle Videoarbeiten internationaler Künstler*innen vor.

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