Heinz Emigholz: Rote Wüste

HMKV Video des Monats

Videostill aus Heinz Emigholz, Rote Wüste, 2012, Video, 21:12 Min., Farbe, Ton. Courtesy of the artist, VG Bild-Kunst, Bonn, 2024

„Bauwerke als Protagonisten: die Dreharbeiten zu „The Airstrip“, dem dritten Teil der Filmreihe „Aufbruch der Moderne” des Künstlers und Filmemachers Heinz Emigholz, fanden 2011-2012 in Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien, Argentinien, Uruguay, Mexiko, Brasilien, den USA, in Japan und auf den Nördlichen Marianen statt. Der 108-minütige Film zeigt zahlreiche Bauten und Skulpturen: sein Interesse gelte den „Gründungstaten“ moderner Architektur in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, so Emigholz.
Drehort war unter anderem das so genannte Northfield Memorial, das 1985 auf Tinian errichtet wurde: die Insel gehört zur Inselgruppe der Nördlichen Marianen im Pazifik und wurde 1944 von der US-Armee erobert, da sie im Zweiten Weltkrieg wie keine andere von strategischer Bedeutung war.
Hier filmte er unter anderem in einer einzigen „Point of View”-Einstellung die Fahrt mit dem Auto durch eine paradiesisch anmutende Tropenlandschaft, um schließlich an zwei unscheinbar wirkenden Betonschächten anzukommen — jenen Ladegruben, aus denen die beiden zynisch benannten Atombomben „Little Boy” für Hiroshima und „Fat Man” für Nagasaki in Flugzeuge verladen wurden, um wenig später die Welt mit bis dahin unbekannter Zerstörung, Tod und Leid zu überziehen.
140.000 Menschen in Hiroshima und 74.000 in Nagasaki waren sofort tot oder starben in den folgenden drei Monaten an den unmittelbaren Folgen der Explosionen, einer Zäsur in der modernen Kriegsführung und bis heute der einzige Einsatz von Atomwaffen in einem Krieg. Der 6. August 1945 war der globale Tag Null, der Tag, an dem wir bewiesen haben, dass die Weltgeschichte nicht weitergehen muss.
Heinz Emigholz schreibt dazu: „Man stelle sich einen Luftraum vor, in dem eine Bombe abgeworfen wurde, die noch nicht ihren Explosionsort erreicht hat. Sie fliegt auf ihn zu und ist nicht mehr zu stoppen. Die Zeit zwischen dem Abwurf und der Explosion der Bombe ist weder Zukunft – denn die unweigerliche Zerstörung hat ja noch nicht stattgefunden – noch ist sie Vergangenheit, da diese unweigerlich im Begriff ist, zerstört zu werden. Die Flugzeit der Bombe beschreibt so das absolute Nichts, die Stunde Null, bestehend aus all den Möglichkeiten, die es im nächsten Moment nicht mehr gibt. Eine Geschichte also, die aufhören wird, bevor sie angefangen hat (…).”
„Rote Wüste” ist das erste von acht Musikvideos, die Emigholz für die Band Kreidler gedreht hat. Das für das Video vorgesehene Stück auf dem Album „Den" (Bureau-B, 2012) ist 9:33 Minuten lang, die gefilmte Einstellung war jedoch deutlich länger. Kurzerhand beschlossen die Musiker, ihr Stück an die mehr als doppelt so lange Einstellung anzupassen und neu abzumischen — und wenig überraschend ist die hier gezeigte Version des Stückes die mittlerweile deutlich populärere. Wie die Journalistin Tina Manske es treffend formulierte: „Der Filmemacher und die Band passen so gut zueinander, weil sie beide dasselbe Ziel verfolgen: den Raum ausloten in Momentaufnahmen, und dabei ohne Kompromisse die eigene Ästhetik verfolgen.”  – Niklas Goldbach

Credits:

Film: Heinz Emigholz »Northfield from THE AIRSTRIP, Decampment of Modernism Part III« produced by Pym Films, with tips of the hat to Ueli Etter, Till Beckmann and Filmgalerie 451

Music: KREIDLER from »DEN« (Cd, Lp, digital download, Bureau-b), October 2012

(c) 2012 Heinz Emigholz, KREIDLER, Bureau-B

Vorgeschlagen von Niklas Goldbach, im Rahmen seiner Einzelausstellung The Paradise Machine im HMKV Hartware MedienKunstVerein im Dortmunder U, Ebene 3 (bis 1. September 2024).

01.–30. September 2024

Heinz Emigholz

Rote Wüste

2012, Video, 21:12 Min., Farbe, Ton. Courtesy of the artist

In der Serie „HMKV Video des Monats“ stellt der HMKV im monatlichen Wechsel aktuelle Videoarbeiten internationaler Künstler*innen vor.

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