Agnieszka Polska: The Longing Gaze
HMKV Video des Monats
01.–31. Oktober 2023
Der Film The Longing Gaze konzentriert sich auf die Begriffe „das Private“ und „das Globale“, die durch die gegenwärtige Gesundheitskrise hervorgerufen werden. Auf höchst poetische Weise präsentiert die Erzählung eine kaleidoskopartige Mischung aus unterschiedlichen Erfahrungen von Nähe und Distanz: monatelang mit einer anderen Person in einer Wohnung eingeschlossen sein; dank des Überwachungsnetzes entlegene Orte beobachten; selbst beobachtet werden; von den globalen Ereignissen betroffen sein.
Auf der Textebene richtet die Erzählerin ein Gedicht an ihren Liebhaber: Sie untersucht Details ihrer Körperlichkeit (die Nase!), analysiert ihr Verhalten, beschreibt Momente der Nähe. Dieser sehr intime Monolog steht vor dem Hintergrund eines Stroms von Ansichten aus Videoüberwachungskameras und Webcams von verschiedenen Orten: Räume, die aufgrund der Covid-Krise leer und vernachlässigt sind, Bilder, die aufgrund von Datenpannen verzerrt sind. Während die Unzulänglichkeiten des maschinellen Sehens auf den allgemeinen Verfall der Überwachungsfähigkeit der Systeme hindeuten, ist die Wahrheit, dass die Fülle der Störungen auf die globale Allgegenwärtigkeit der Kameras zurückzuführen ist, die selbst nur die Augen von ausgedehnten Analysesystemen sind. Der Kerngedanke hinter diesem System ist nicht die Perfektion des maschinellen Auges, sondern die Schnelligkeit der Datenanalyse und der Datengewinnung.
Es ist wirklich paradox, dass eine Welt der erzwungenen Grenzen und der Isolation von Systemen betrieben wird, die von Deterritorialisierung und Konnektivität leben. Die Liebe hat in dieser Realität einen besonderen Status: Sie ist ein Zeichen des Datenmarktes, aber sie schafft auch einen vorübergehenden Raum der Autonomie. Die Liebenden blicken von ihrem intimen Pakt aus auf die Außenwelt; und die Welt starrt zurück auf ihre Intimität. (Agnieszka Polska)
Ausgewählt von Inke Arns (HMKV)
Agnieszka Polska, geboren 1985 in Lublin/Polen, ist eine bildende Künstlerin, die computergenerierte Medien verarbeitet, um den Menschen und seine soziale Verantwortung zu reflektieren. Sie versucht, die ethische Zweideutigkeit unserer Zeit in halluzinatorische Filme und Installationen umzusetzen. Polska präsentierte ihre Arbeit unter anderem im New Museum und im MoMA in New York, im Centre Pompidou und im Palais de Tokyo in Paris, im Tate Modern in London, im Hirshhorn Museum in Washington, DC, und im Hamburger Bahnhof, Berlin. Außerdem nahm sie an der 57. Biennale in Venedig, der 11. Gwangju-Biennale, der 19. Biennale von Sydney und der 13. Istanbul-Biennale teil. 2018 erhielt sie den Preis der Nationalgalerie.
01.–31. Oktober 2023
Agnieszka Polska
The Longing Gaze
Video, 2021, 13:00 Min.